Zwei Jahre und zu viele Abschweifungen

Lang’ is her

Jo, stimmt! Ich habe die letzten zwei Jahre eine Pause vom Bloggen gemacht. Nachdem mein letzter Blog-Artikel aus dem Dezember 2019 sich nun aber auch auf geschlagenen 60000 (in Worten: sechzigtausend) Zeichen über Kunstgeschichte und wie sie in einem Museum abgebildet wurde ausgelassen hat, war dieser Zeitraum meiner geneigten Leser*innenschaft sicher auch ganz gelegen. Ich hoffe, ihr habt die Zeit zu einem ausgedehnten Verdauungsspaziergang nutzen können. Bevor es hier also wieder richtig los geht ein – hoffentlich – kurzer Abriss darüber, was in der Zwischenzeit geschehen ist.

Zunächst einmal habe ich nach dem schon benannten, gargantuesken Artikel eine ausgedehnte Blog-Pause eingelegt, die sich ganz natürlich entwickelt hat. Stichwort: Prioritäten. Mein Erasmus-Semester in Perugia hat im Dezember 2019 noch eine unerwartete Wendung genommen, bei der auch ein gewisses Virus mit dem Zusatz “19” eine nicht unerhebliche Roll spielte. Doch dazu ein andermal gerne mehr; erstmal weiter im Text. Im März 2020 verließ ich Italien mit dem Flugzeug. Dieser Umstand war weniger Result eines Vergleichs der Flugpreise mit denen eines Zuges nach Deutschland (mit knapp 50 Kilogramm Gepäck wäre ich sicherlich auch günstiger als mit dem Flugzeug zurück gekommen), als der Tatsache, dass schlichtweg keine Züge mehr fuhren. Über Nacht hatte der damalige Italienische Ministerpräsident Conte ein Dekret erlassen, das fast sämtlichen Zugverkehr in Italien stilllegen sollte. Der Hintergrund sollte allen klar sein, die diesen Artikel vor dem Jahr 2050 lesen: Das Virus mit dem Zusatz “19” hatte sich in der Zwischenzeit zu einer massiven Bedrohung für die globale Gesundheit entwickelt.

Kulturschock hoch minus eins

Doch davon wollte Anfang März 2020 in Deutschland niemand etwas wissen. Ich habe damals durch Zufall eine FFP2-Maske auftreiben können um mich wenigstens einigermaßen gegen die neue Atemwegserkrankung mit noch unbekannten Folgen schützen zu können, während hierzulande noch die Diskos geöffnet waren. Ich kann mich noch zu gut daran erinnern, wie ich mich damals darüber aufgeregt habe, dass meine Eltern im Flughafen ohne einen Atemschutz auf mich warteten. Auf der Fahrt nach Hause fragte ich, was denn inzwischen in Deutschland für Maßnahmen ergriffen worden seien. Ja, was soll ich sagen? Keine. Während in Norditalien Leichen in heruntergekühlten Kirchen aufbewahrt werden mussten, blühte in Deutschland weiterhin das Leben. Ich hatte Angst um die, die ich in Italien zurückgelassen hatte und verfolgte von meiner Quarantäne aus, wie innerhalb von zwei Wochen auch Deutschland langsam aber unaufhaltsam in die gleiche Situation geriet wie Italien und der Rest von Europa. Noch immer ist es für mich unbegreifbar, wie die deutsche Regierung damals das Ausmaß der Lage nicht sofort erkannt hatte. Klar – hinterher ist man immer schlauer. Doch es war tatsächlich so. Am ersten Morgen nach meiner Ankunft in Deutschland schrieb ich auf allen mir verfügbaren Kanälen: “Bleibt zuhause! Ich bin sicher aus Italien zurückgekehrt. Da ist Krieg.” Rückblickend klingt auch das anmaßend. Und doch hatte es sich in dem Moment wie das einzig Richtige angefühlt, wahrnehmend wie hier “Business as usual” galt während einen Tag auf der Autobahn von hier entfernt die Welt in Fetzen lag.

Einen Zeitsprung in den April 2020 später: Ich hatte mich mit der Situation arrangiert und dachte noch in Zeitskalen von Monaten, die es dauern würde bis die Pandemie vorüber sein würde. In der Zwischenzeit war ich nach Aachen zurückgezogen und dort sofort in eine WG mit meinen beim Bouldern kennengelernten Freunden Hauke, Jérôme und Jerry gezogen. Die Retrospektive mag ein bisschen verklärt sein, doch eigentlich hätte es nicht besser laufen können. Im folgenden Jahr bis zu meinem Erneuten Umzug haben wir eigentlich nicht viel mehr gemacht als aufeinander rumzuhocken. Und das war super. Wir haben literarisch (Danke dafür, Sara) jeden Abend zusammen gekocht und zusammen im Wohnzimmer Sport gemacht. Letzteres nicht ganz jeden Abend, aber ey, es ist auch nur ein Wohnzimmer und da gibts auch echt besseres zum Sportmachen. Nichts gegen das Wohnzimmer. Das Wohnzimmer ist toll und ein absoluter WG-Luxus. Aber zum Sportmachen dann doch mehr so meh.

Wer rastet, der rostet

Ich springe wieder ein bisschen weiter bis in den September 2021. (Nicht weil so wenig passiert wär, sondern weil ich gern mal nen kurzen Artikel schreiben würd. Die Details werden nachgereicht.) Meine Masterarbeit lag hinter mir und ich konnte mich nun offiziell als Master of Science bezeichnen. Ob ich auch in Aachen hätte promovieren können… vermutlich. Tatsächlich habe ich aber nie nachgefragt. Zu sehr war der Wunsch da, nochmal etwas anderes zu sehen und auf dem Lebenslauf nochmal ein anderes spannendes Institut stehen zu haben. Die Zweifel, ob das letztendlich die richtigen Prioritäten waren, kamen prompt als ich dann das erste Mal in meiner neuen WG in Hamburg saß und dort nun wirklich niemanden kannte und zudem noch sofort einen Haufen Arbeit zu erledigen hatte: Zuzüglich zu den Nachwehen des Umzugs, bestehend aus der Ummeldung, Großeinkauf, Möbeln, auszupackenden Kisten und dem Wunsch am liebsten schon gestern die Stadt kennengelernt zu haben, kam noch ein Workshop am DESY, an dem ich mich auch direkt für einen Vortrag gemeldet hatte. Dazu kam dann noch ein ganzer Stapel ungelesener Mails mit Rückfragen zu dem Paper, das ich zwei Wochen vorher aufs Arxiv (auch dazu ein andermal mehr) geladen hatte. Summa summarum (Danke dafür, großes Latinum) also durchaus ein Start mit Luft nach oben. Inzwischen (da sind wir endlich, ein Temporaladverb, das den heutigen Tag meint!) ist es mir aber gelungen mich ein bisschen einzuleben, alle Kisten auszupacken und auch ansonsten nicht nur physisch sondern auch psychisch angekommen zu sein. Das hat zwar ein bisschen gedauert und kann immer noch besser werden, aber auch das ist ja mal ne Erfahrung, oder? Oder?

Drei Ideen für regnerische Tage

Wie es weiter gehen soll dieses Jahr, habe ich mir aufgeschrieben in meinem Calendiary. (Ich weiß, ich schweife ab. Aber: Wortneuschöpfungen, Leute! So wichtig und doch so unterschätzt. Ich brauche doch erstmal ein Wort für das Ding, was ich da führen möchte, bevor es richtig funktionieren, wenn nicht sogar: existieren, kann.) Darin stehen für dieses Jahr drei wichtige Projekte. (Nennt sie Neujahrsvorsätze und schiebt mich in die Schublade der Leute, die sich Neujahrsvorsätze machen, los, macht schon.):

1) Nachdem es letztes Jahr schon ganz wunderbar geklappt hat, einfach mal mehr zu schlafen und mir mehr Zeit zum Lesen zu nehmen, habe ich mir vorgenommen, ab sofort einfach mal früher schlafen zu gehen. Nicht weniger – einfach eher ins Bett und entsprechend auch früher wieder raus. Auf meine acht Stunden will ich aber schon noch kommen. Da liegt die Priorität. Das Motiv hinter dem Wunsch früher schlafen zu gehen lässt sich im winterlichen Norddeutschland und dem dazugehörigen Schietwetter finden…

2) Weiter geht es mit Punkt zwei und dem Wunsch mehr draußen zu sein. Mit dem Umzug nach Hamburg hatte ich plötzlich auch einen Büroplatz. Das ist zwar toll und überaus praktisch, wenn dadurch der Schreibtisch zuhause auch mal als Ablagemöglichkeit und Abstellort für ganz viele kleine Setzlinge der Bundnessel auf der Fensterbank herhalten darf. Andererseits muss ich mich allerdings auch jeden Tag neu dazu aufraffen zeitig ins Büro zu gehen und irgendwann vor Einbruch der Dunkelheit auch wieder nach Hause zu kommen (siehe Punkt 1). Und dann nach Feierabend nochmal im Dunkeln und bei stetem Nieselregen spazieren zu gehen ist eben auch nicht so recht vergleichbar mit einem Spaziergang durchs beschauliche Aachen bei Tag, wenn ich gerade mal darauf Bock hatte. Also: einfach mal eher nach Hause und raus! Egal wohin – raus. Am besten mit ein bisschen Sonne dabei und in irgendeine Richtung, in die ich noch nicht gelaufen bin. Noch besser mit Laufschuhen, aber ein Schritt nach dem anderen…

3) Zwei Punkte sind unsexy. Ich brauchte einen dritten Punkt. Ganz dringend. Und da kam mir mein seit 2016 zur Hälfte gelesener Herr der Ringe-Band genau recht. Teil drei meiner Selbstoptimierungskampagne des Jahres 2022: Herr der Ringe zu Ende lesen. Das solle machbar sein, auch wenn alles andere schiefgeht. Bleiben wir optimistisch und freuen uns über unsere drei Impfungen, die wir bis hierher (bitte) alle bekommen haben.

Geschrieben am 19. Januar 2022